„Hilfe, mein Kind hat einen ‚Nachzipf`!“

Hilfswerk-Expert*innen mit Tipps für einen motivierenden Lernsommer

Wie sich trotz bevorstehender Nachprüfung neue Lernbegeisterung tanken und Familienstreit vermeiden lässt.

Der Sommer lockt mit Badefreuden, Urlaubsangeboten und neun Wochen Ferien. Doch für viele Kinder und Jugendliche wirft der Schulstart im kommenden Herbst einen großen Schatten über die unterrichtsfreie Zeit davor. Findet sich im Jahreszeugnis nämlich das eine oder andere „Nicht Genügend“, bedeutet das entweder, die Klasse wiederholen oder die Schule wechseln zu müssen, oder sich mit einer Nachprüfung für die nächsthöhere Klasse zu qualifizieren.

„Der 5er im Jahreszeugnis ist ein Stressfaktor für Kinder, Eltern und das gesamte Familiensystem“, sagt Christian Wiedner, Leiter der Hilfswerk-Jugendzentren in Fürstenfeld und Hartberg (Steiermark). Immer wieder trifft er auf Jugendliche, deren negative Noten familiäre Konflikte eskalieren lassen. „Die Kids fühlen sich abgewertet, empfinden ihre Leistung als unzulänglich und leiden häufig unter Versagensängsten. Die Eltern schwanken zwischen Selbstvorwürfen und Anschuldigungen an die Kinder, womit sie die Konfliktsituation noch zusätzlich verschärfen“, weiß Wiedner.

Ruhe bewahren!

Auch wenn jeder Fall einer negativen Note seine individuelle Vorgeschichte habe und das Nachholen der Lerninhalte jeweils unterschiedlich angegangen werden müsse, gebe es aus Expert*innen-Sicht doch ein paar grundlegende Dinge, die Eltern von Nachzipf-Schüler*innen beachten könnten. „Allen voran: Bewahren Sie Ruhe! Weder eine Nachprüfung, noch eine Klassenwiederholung sind eine Katastrophe. Oft führen sie sogar dazu, die Leistungskurve nachhaltig nach oben zu drehen“, so Wiedner. „Setzen Sie sich in einem entspannten Moment mit ihrem Kind zusammen, klammern Sie alle Vorwürfe gegen sich und den Nachwuchs aus – und analysieren sie in aller Ruhe die Gründe für die schlechte Note“, rät Wiedner.

Akku aufladen und Motivation finden!

Auch eine negative Zeugnisnote löscht nicht den „Urlaubsanspruch“ von Kindern und Eltern. Ohne Entspannung und Erholung keine Lernmotivation! Unter Umständen können Lernen und Freizeitge­staltung verknüpft werden. „Wenn Ihr Kind zum Beispiel in Englisch ein Nicht Genügend hat, wäre ein Urlaub in einem englischsprachigen Lang sinnvoll. Die Kommunikation mit den Einheimischen muss man aber dem Kind überlassen“, schlägt Wiedner vor. Oder noch einfacher: „Das Kind soll seine Lieblingsserien in der Sprache schauen, in der es sich verbessern will.“ Der Generation Gaming wiederum empfiehlt Wiedner, versäumte Lerninhalte auch vor dem Bildschirm nachzuholen: „Lern-Games oder YouTube-Tutorials bringen Abwechslung in die Lernzeit und erhöhen die Motivation.“

Strukturen schaffen!

„Eine gute Planung der Lernzeiten und Lernpakete ist der Schlüssel zum Nachprüfungserfolg“, sagt Isabella Ecker, Leiterin des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie im Hilfswerk Österreich. Lieber mehrere kürzere Lerneinheiten mit genügend Pausen dazwischen, als geballte Stoffmengen am Ferienende. Eltern und Kindern hilft es, wenn Lernzeiten und Lernstoffpakete früh fixiert und konsequent eingehalten werden.

„Dazu gehört: Ablenkungen vermeiden und das Mobiltelefon während der Lernzeit stummschalten. Auch auf die Dauer der täglichen Social-Media-Nutzung sollten Eltern und Kinder sich einigen. Damit Freizeitbeschäftigungen nicht zu kurz kommen, die dem Lernerfolg nützen, wie zum Beispiel Sport, Badespaß und Abhängen mit Freunden und Freundinnen“, empfiehlt Ecker. „Aktivitäten außerhalb der klassischen Lernzeit heben die Lernfreude der Kinder. Das belegen auch internationale Studien wie „Joy to learn“, so Ecker.

Externe Hilfsangebote nutzen: von nachbarschaftlich bis professionell!

„Professionelle Nachhilfe ist meistens teuer. Ehe man sich dafür entscheidet, lohnt es sich, bei Mitschüler*innen und im Bekanntenkreis nach Unterstützung zu suchen. Ein paar Mathe- oder Rechnungswesen-Nachhilfestunden mit Klassenkolleg*innen, eine unterhaltsame Latein-Lerneinheit mit dem Nachbarn sorgen womöglich für das nötige Aha-Erlebnis, das sich während des Schulunterrichts nicht einstellen wollte. Die Verknüpfung des Lernens mit positiven Emotionen hat einen förderlichen Einfluss auf die Lernprozesse“, so Ecker.

Eltern, deren Kinder Nachhilfeangebote in Anspruch nehmen, sollte bewusst sein, dass sie damit nur den Stofferwerb an Dritte delegieren. Für die emotionale Stärkung des Kindes, für die Schaffung eines motivierenden Lern- und Freizeitumfelds bleiben sie verantwortlich. Das Hilfswerk unterstützt Eltern gerne bei der Suche nach geeigneten Nachhilfe-Angeboten in Wohnortnähe, vom Lern-Coaching in Kleingruppen bis zur Einzelbetreuung.

Unter der Hilfswerk-Hotline 0800 640 680 finden Menschen in familiären Krisensituationen professionelle Hilfe und Beratung. Die Hotline ist aus ganz Österreich gebührenfrei erreichbar von Montag bis Donnerstag, jeweils von 9.00 bis 16.00 Uhr, freitags von 8.00 bis 12.00 Uhr.

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