PK Zukunftsorte: Strategien gegen Landflucht
„Ausheimische“ sind personifizierte Verbindungen zwischen Stadt und Land – und deshalb unverzichtbare Dialogpartner der Gemeinden.
Medieninformation zur Pressekonferenz der Zukunftsorte, am 5. April 2019 im „Kommunalkonsulat“ Wien
Mitglieder im Verein Zukunftsorte sind aktuell die Gemeinden Bad Blumau (Steiermark), Hinterstoder (OÖ), Kals am Großglockner (Tirol), Kronstorf (OÖ), Moosburg (Kärnten), Munderfing (OÖ), Neckenmarkt und Raiding (Burgenland), Nenzing (Vorarlberg), Thalgau (Salzburg), Waidhofen an der Ybbs (NÖ) und Werfenweng (Salzburg).
Wisssensaustausch zwischen Stadt und Land
Bereits 2013 haben die Zukunftsorte das Kommunalkonsulat als ihre „ständige Vertretung“ am Entscheidungs-, Medien- und Universitätsstandort Wien etabliert. Ein zentraler Ort der Vernetzung von Menschen und Organisationen, die sich, mit unterschiedlichen Schwerpunkten, einem zukunftsfähigen ländlichen Raum und seiner Verknüpfung mit der Stadt widmen. Zugleich ist das Kommunalkonsulat auch als Treffpunkt der „Ausheimischen“ aller Zukunftsorte gedacht, damit diese während ihrer Ausbildungszeit, aber auch danach in lebendigem Kontakt mit ihren Herkunftsgemeinden bleiben können. Mehr zum Thema „Ausheimische“ weiter unten.
„Während in der parteipolitischen Auseinandersetzung und in der medialen Darstellung gerne die Konkurrenz von Land und Stadt hochgekocht wird, arbeiten die Zukunftsorte an tragfähigen Austauschbeziehungen zwischen beiden Sphären“, erläutert Josef Mathis. „Mit Veranstaltungen und Vernetzungsaktivitäten forcieren wir den Wissensaustausch zwischen Stadt und Land. Wir locken Forscherinnen und Forscher, Impulsgeberinnen und Impulsgeber sowie unternehmerisches Know-how in unsere Gemeinden. Zugleich trachten wir danach, die regionalen Herausforderungen als Gegenstand wissenschaftlicher Forschung in den urbanen Zentren zu etablieren“, so Mathis weiter.
Da & Dort – Lernen im überregionalen Netzwerk
Um den Wissenstransfer zwischen den Kommunen und Regionen voranzutreiben, starteten die Zukunftsorte 2016 gemeinsam mit dem bayerischen Landkreis Miesbach das LEADER-Projekt Da & Dort – Lernen im überregionalen Netzwerk (www.daunddort.com). Ziel war es, das interkommunale Bildungsnetzwerk weiter auszubauen, Innovationen voranzutreiben und ländliche Gemeinden langfristig zu stärken. Im Rahmen von halbjährlich wechselnden Präsidentschaften und Themenschwerpunkten übernahmen jeweils ein oder zwei Zukunftsorte die inhaltliche Verantwortung und luden zu mehrtägigen Themenkonferenzen bzw. Einzelveranstaltungen.
„Dort tauschten Gemeindeverantwortliche, Expertinnen und Experten sowie interessierte Bürger ihre praktischen Erfahrungen und Erkenntnisse aus aktuellen Projekten aus. Was wiederum dazu führte, dass sich andere Gemeinden von Good-Practice-Modellen inspirieren ließen und Innovationen oder Lösungswege für sich adaptierten“, so Christof Isopp, Architekt, Stadt- und Dorfentwickler, Mitinitiator der Zukunftsorte und ihrer Ausheimischen-Initiativen (verknuepfer.at).
Nicht erst im Rahmen des Veranstaltungsreigens von Da & Dort entdeckten die Zukunftsorte die so genannten Ausheimischen als Dialoggruppe Ihrer Entwicklungs- und Öffentlichkeitsarbeit. Das parallel zu Da & Dort initiierte Forschungs- und Dokumentationsprojekt www.ausheimische.at sammelt Geschichten. Von Personen, die zum Zweck der Aus- und Weiterbildung sowie für berufliche Karrieren ihre ländliche Herkunftsgemeinden verlassen haben, aber immer noch mit ihnen verbunden, ja bisweilen sogar wieder zurückgekehrt sind.
Viele Gemeinden bejammern das Weggehen als Braindrain und Verlust von Humankapital. Dabei sind die Ausheimischen die personifizierten Verbindungen zwischen Land und Stadt. Sie verfügen über Kenntnisse beider Welten und sind dank ihrer Bildungs- und Berufserfahrung eine unschätzbare Ressource für jede Kommune. Was müssen Gemeinden also tun, um lebendige Beziehungen mit ihren Ausheimischen führen zu können?
„Zu allererst braucht es das richtige Mindset“, stellt Christof Isopp fest. „Ausheimische sollten auch an ihrem neuen Wohnort als Gemeindebürger behandelt werden, selbst wenn es ein bisschen aufwändiger ist. Die Gemeindezeitung zum Beispiel kann ihnen auch an den neuen Wohnort zugesandt werden, damit sie über neue Projekte und kommunale Entwicklungen Bescheid wissen. Und wenn Kommunen die Erfahrungen ihrer Ausheimischen nutzen wollen, dann müssen sie diese in Entwicklungsprozesse einbinden“, so Isopp weiter.
„Der Vorteil ist, dass Ausheimische viel häufiger Möglichkeiten und Chancen sehen, wo Eingesessene, vielleicht aufgrund bestimmter Erlebnisse, eher Schwierigkeiten und Grenzen identifizieren. Unsere Erfahrungen zeigen, dass die außergewöhnlichen Ideen in kommunalen Innovationsprozesse sehr oft von Ausheimischen stammen“, meint Isopp und kritisiert ein landläufiges Missverständnis: „Das Weggehen (und Wegbleiben) bildungshungriger Menschen ist à la longue nicht einfach nur eine Frage hinterherhinkender Infrastruktur.“ Denn im Zeitalter fortschreitender Digitalisierung bräuchten Menschen am Land die gleichen Voraussetzungen, um Arbeit und Alltag bewältigen zu können. Ob die ländliche Herkunftsgemeinde für Ausheimische (wieder) als Wohn- und Arbeitsort vorstellbar sei, hänge vor allem auch von soften Faktoren und Werten wie Weltoffenheit, Toleranz und Pluralität ab.