Projekttheater zu Gast in Wien

Vom 31.3. bis 2.4.2014 gibt das Projekttheater ihr neues Theaterstück im Schauspielhaus Wien zum Besten.

Projekttheater zu Gast in Wien

Eine Geschichte zweier Geisteskranker? Eine Geschichte der gesellschaftlichen Enteignung?
Eine Revolutionsgeschichte? Oder eine Geschichte zweier genialischer Künstler?

Alles davon!

Ein schöner Hase ist meistens der Einzellne
von Philipp Weiss

mit Texten von Ernst Herbeck und August Walla

Regie & Ausstattung: Susanne Lietzow
Es spielen: Dietmar Nigsch und Peter Badstübner
Video: Petra Zöpnek | Videoton: Gilbert Handler | Masken: Julia Beyer Produktionsassistenz: Anja Zehetgruber | Produktionsbetreuung: Maria Hofstätter
Video/Stimmen: u.a. Sylvia Bra, Maria Hofstätter, Florenitn Groll, Sebastian Pass, Martina Spitzer
Support: Marie Luise Lichtenthal

Termine
Wien-Premiere: Montag, 31. März 2014, 20:00 Uhr
Weitere Vorstellungen: 1. / 2. April 2014, 20:00 Uhr
Ort: Schauspielhaus Wien, Porzellangasse 19, 1090 Wien
Kartenreservierung & Informationenkarten@schauspielhaus.at | T +43 (0) 1 317 01 01
www.projekttheater.at www.facebook.com/Projekttheater

Podiumsdiskussion:
mit Prof. Dr. Johann Fellacher (künstlerischer Leiter und Kurator des Museums Gugging), Philipp Weiss (Autor), Susanne Lietzow (Regisseurin). Moderation: Dr. Peter Huemer (Journalist und Historiker).
Montag, 31. März 2014, im Anschluss an die Vorstellung.

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Ernst Herbeck und August Walla verbrachten große Teile ihres Lebens als Psychiatriepatienten. Beide wurden zu gefeierten Künstlern. Im Stück stehen sie da und schweigen. Es sind die sie umgebenden Stimmen, Blicke und Zeiten, die sie vernichten und erschaffen: als Kranke, Produkte oder Genies. Der stumme Einzeller des Wahnsinns gibt immer einen schönen Hasen ab.

Das Stück
„Ein schöner Hase …“ ist zunächst ein biografisches Stück und widmet sich dem Leben und Schaffen zweier realer Personen: Ernst Herbeck (1920 – 1991) und August Walla (1936 – 2001). Beide verbringen als schizophrene Patienten Jahrzehnte ihres Lebens in der Nervenheilanstalt Gugging bei Wien. Beide avancieren in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu renommierten Künstlern. Herbeck als Dichter, der insbesondere von der österreichischen Nachkriegsavantgarde gefeiert wird; Walla als einer der bedeutendsten Repräsentanten der internationalen Art Brut.

Autor Philipp Weiss, vom Projekttheater mit der Erarbeitung des Stückes betraut, über „Ein schöner Hase ist meistens der Einzellne“:
„Es ist ein Theater der Stimmen. Es erzählt zwei Leben, die stumm verlaufen: im Zustand der Isolation. Die Protagonisten schweigen. Sie bleiben im Dunklen jenes Ortes, der ihnen zugewiesen wurde – und damit in der Unvermittelbarkeit. Erzählen können nur jene Stimmen der Vernunft, die sich um ihre Leben ranken, jene, die über sie sprechen. Auf diese Weise entsteht eine dramatische Doppel-Biographie, in der die biographischen Figuren eine Leerstelle bleiben. Sie können nur über die Ränder bestimmt werden, die durch jene Reden entstehen, die eben diese Leerstelle umgeben, die sie bestimmen, vereinnahmen, deuten, umdeuten, erschaffen und verwerfen. Dem entgegen steht allein die Präsenz ihrer Körper. Und allem voran: ihr künstlerisches Werk.“

Als Ausgangspunkt seiner literarischen Arbeit diente Philipp Weiss neben den Werken der beiden Protagonisten eine Fülle an dokumentarischem Material: Krankenakten, Gerichtsakten, psychiatrische Fachzeitschriften und Bücher aus unterschiedlichen Zeiträumen, Kunstdiskurse, Video- und Filmmaterial, Interviews und Recherchen im Landeskrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie sowie im Haus der Künstler in Gugging bei Wien.

Welche Geschichte von Ernst Herbeck und August Walla will das Stück erzählen? Eine der Geisteskranken? Eine der gesellschaftlichen Opfer? Eine der Heroen, die gegen die gewalttätige symbolische Ordnung aufbegehren? Eine zweier genialischer Künstler? Alles davon! Nebeneinander, buhlend, übereinander, einander verdrängend.

Philipp Weiss: „Es geht in dem Stück um die Macht einer Sprache, die nicht bloß Definitionsmacht ist, vielmehr um eine solche, die einschreitet. Eine Sprache, die ein Akt ist, der in die Welt eingreift und sie formt. Walla und Herbeck sind verschiedenen solcher sie erschaffenden Reden unterworfen. Sie sind Besprochene. Als schizophrene Anstaltspatienten gehören sie seit Beginn ihrer Krankengeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus zu jener Gruppe der Randständigen und gesellschaftlich Anderen, über die bestimmt und für die gesprochen wird. Dieser Enteignung und ihren Kontinuitäten durch die Verläufe zweier Leben, durch verschiedene Ideologien und Zeiten hinweg spürt dieses Stück nach.

Das Stück gliedert sich in fünf formal unterschiedliche Akte, die in einem chronologischen Verlauf zentrale Lebensabschnitte der beiden Protagonisten ins Blickfeld nehmen. Von den Euthanasieanstalten der Nazis, über die entmündigende Zwangspsychiatrie der Nachkriegszeit bis zur Entdeckung und Verklärung der Künstlerexistenzen sowie der posthumen Verwertung ihres Schaffens. In jedem Akt sind es andere Stimmen, die die beiden Figuren in wechselnder Art und Weise „besprechen“: Monologe, Dialoge, abstrakte Sequenzen. „Das Stück eröffnet ein Spektrum dramatischer Mittel, deren einzig Gemeinsames die Rede über ist“, so Philipp Weiss.

Über Ernst Herbeck und August Walla
Ernst Herbeck war 45 Jahre lang Patient in der Niederösterreichischen Landesnervenklinik Gugging. Er wurde mit einer die Sprechfähigkeit stark beeinträchtigenden Lippen-Kiefer-Gaumenspalte geboren. Unter Anleitung seines Arztes Leo Navratil begann Herbeck Gedichte zu schreiben. Bekannt wurde er ab 1977 mit Veröffentlichungen unter dem Pseudonym Alexander. Anders als seine Künstlerkollegen in Gugging, Johann Hauser, August Walla und Oskar Tschirtner, die mit ihrer Malerei zu herausragenden Künstlern der Art Brut avancierten, suchte Ernst Herbeck den künstlerischen Ausdruck in Gedichten. „Herbeck hat stets nur auf Wunsch und meist nur nach Angabe eines Titels geschrieben. Änderungen und Korrekturen an seinen Texten nahm er nur während deren Entstehung vor, nachher nicht mehr“, schrieb Navratil über die Arbeitsweise Herbecks.