Gemeinwohlökonomie als Handlungsleitfaden
Als österreichweit erste Gemeinden richten Nenzing und Mäder ihre Handlungsweisen nach den Regeln und Werten der Gemeinwohlökonomie aus.
Am Donnerstag, 5. Oktober 2017 wurden die Gemeinden Nenzing und Mäder als erste Kommunen Österreichs mit dem Gemeinwohlzertifikat ausgezeichnet. Die Übergabe der Zertifikate fand im Rahmen einer zweitägigen Veranstaltung in Nenzing statt, die das Thema Gemeinwohlökonomie in den Mittelpunkt stellte. Höhepunkte: Keynotes von Christian Felber, Initiator der Gemeinwohlökonomie, sowie des Verhaltensökonomen Gerhard Fehr. Vorträge und Workshops beleuchteten Nenzings Weg zur Gemeinwohl-zertifizierten Kommune und gaben geladenen Gemeinde-VertreterInnen Gelegenheit zur Diskussion.
Neue Werte für Wirtschaft und Kommunalmanagement
Als österreichweit erste Gemeinden richten Nenzing und Mäder ihre Handlungsweisen nach den Regeln und Werten der Gemeinwohlökonomie aus. Das betrifft unterschiedliche Prozesse wie Beschaffung, Verkehr, Energieversorgung, Integration oder Generationengerechtigkeit. Für die Auszeichnung mussten sie ein Begutachtungsverfahren durchlaufen, das im November 2016 startete und mit der Preisverleihung Anfang Oktober 2017 seinen vorläufigen Abschluss fand.
Änderung in der Denkweise bewirken
Ziel von Nenzing und Mäder ist es, eine langfristige Änderung in der Denkweise der Verwaltung zu bewirken und ein motivierendes Zukunftsbild für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu schaffen. Initiativen und Umsetzungsschritte werden in beiden Gemeinden von den Menschen in der Gemeindeverwaltung veranlasst und nicht von der Politik. Daher bewerten Nenzing und Mäder ihre Projekte vor allem anhand selbst gesetzter Ziele bzw. daran, ob es den Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde sowie der Gesellschaft als Ganzes nutzt.
„Die Gemeinwohl-Ausrichtung wertet vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung auf, verleiht ihrem Tun eine Vision und sorgt für zusätzliche Motivation“, so Florian Kasseroler, Bürgermeister der Gemeinde Nenzing. „Mit der Zertifizierung als Gemeinwohl-Gemeinde haben wir uns einem Orientierungs- und Wertesystem unterworfen, das uns vor Augen führt, wo wir noch Luft nach oben haben“, so Kasseroler weiter.
Vergaben: Gemeinwohlorientierung statt Billigstbieter-Prinzip
Am 6. Oktober 2017, dem zweiten Tag der Veranstaltung schilderten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde Nenzing in Diskussionsrunden ihre Erfahrungen mit dem Audit. Martin Assmann, Leiter des Standesamts und Finanzverantwortlicher in Nenzing, erklärte, dass die Auftragsvergabe an Unternehmen nicht mehr ausschließlich nach dem Billigstbieter-Prinzip erfolge. Betriebe, die sich für das Gemeinwohl einsetzten, viele Lehrlinge ausbildeten oder besonders nachhaltig wirtschafteten, würden der preisgünstigsten Alternative vorgezogen. Geladene VerantwortungsträgerInnen aus anderen Gemeinden Österreichs nahmen die Gelegenheit wahr, derartige Ideen und Impulse für ihre Kommunen mit nach Hause zu nehmen.
Mit seinem Vortrag „Wie können wir die alten Denkmuster aufbrechen?“ inszenierte der Ökonom und Journalist Gerhard Fehr eine Art Experimentierlabor für Verhaltensökonomie. Mithilfe von Logik-Rätseln vermittelte er Einblicke in das menschliche Denken. Anschaulich demonstrierte Fehr dem Publikum, dass der Mensch zwar glaube, rational urteilen zu können, und doch bei vielen Problemstellungen intuitiv daneben liege. Außerdem brach Fehr eine Lanze für die Ehrlichkeit im zwischenmenschlichen Umgang: klares Feedback könne Menschen auf lange Sicht zum richtigen Handeln motivieren.
Weitere Informationen finden Sie in dem Nachbericht von Marlis Stubenvoll. Details zum Zertifizierungsprozess legt der Gemeinwohlbericht der Marktgemeinde Nenzing offen.